iLeadership: Neues Jahr – neues Glück?

10.05.2019

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Leadership

So werden aus guten Vorsätzen neue Gewohnheiten

Haben Sie sich vorgenommen, in 2019 etwas zu ändern? Wollen Sie gesünder essen oder mehr Sport machen? Sich weniger stressen lassen, ein besserer Chef werden oder sich einen neuen Job suchen?

Was auch immer auf Ihrer Liste der guten Vorsätze steht, eins haben all diese Themen gemeinsam: Es gilt, sich von alten Gewohnheiten zu verabschieden, um sich etwas Neues anzueignen. In anderen Worten: etwas zu lernen.

Die meisten guten Vorsätze allerdings sterben in den ersten Wochen des Jahres einen stillen Tod. Zwei Drittel der Leute halten rein statistisch nicht einmal bis Ende Januar an ihren Neujahrsplänen fest. Sich ein Verhalten anzueignen ist offensichtlich doch schwerer, als Vokabeln zu lernen.

Der Mensch ist ein lernendes Wesen. Was also ist es, dass uns davonhält, unsere gesetzten Ziele zu erreichen? Was macht das Erlernen neuer Verhaltensweisen so schwer? Oder anders gefragt: Was muss passieren, damit Lernen gelingt?

 

Wie wir (nicht) lernen

1. Lernen aus Erfahrung

Dass es uns besser geht, wenn wir regelmäßig Sport machen oder Stress meiden, erfahren wir am eigenen Leib. Und doch sind Erfahrungen keine Garanten für künftiges Verhalten. Erfahrungen alleine – ob gute oder schlechte – verändern Verhalten in der Regel nicht.

Wenn Erfahrungen hilfreich sein sollen, dann nur unter der Bedingung, dass sie rückblickend analysiert werden. Es gilt, das Erlebte zu reflektieren sowie die eigenen Wahrnehmungen und Eindrücke zu hinterfragen.

Nehmen wir beispielsweise eine Kommunikationssituation im Job, die aus dem Ruder gelaufen ist: Die negative Erfahrung alleine wird unser Verhalten in der nächsten zwischenmenschlichen Krise nicht verändern. Ein Lerneffekt setzt eine Analyse voraus: Habe ich nur auf die Worte des Gesprächspartners reagiert – oder habe ich versucht, das Anliegen hinter den Worten zu erfassen, um so auf eben dieses Anliegen und nicht nur auf das gesprochene Wort zu reagieren?

Für jeden Menschen ergibt das eigene Verhalten Sinn. Doch dieser Sinn ist für das Gegenüber oft nicht sofort zu erfassen. Habe ich mir die nötige Zeit genommen, um die wahre Motivation herauszufinden? Habe ich beim Gesprächspartner nachgefragt, um zu erfahren, welche Einflüsse und Erfahrungen sich in seinem Verhalten mir gegenüber widerspiegeln? Bleibt die Frage nach seinen und auch meinen Motiven für unser beider Handeln unbeantwortet, entgehen mir wesentliche Aspekte, die einer Lösung eventuell im Wege stehen.

Es ist also möglich, aus Erfahrungen zu lernen – sofern durch gezieltes Hinterfragen wesentliche Ursachen und Zusammenhänge sichtbar werden. Nur so können Erfahrungen zur Basis für neues Verhalten werden.

 

2. Lernen durch Wissen

In Trainings höre ich immer wieder von Teilnehmern, dass sie bereits wissen, worum es geht. Soll dieses Wissen in einer Übung angewendet werden, verweigern genau diese Teilnehmer ihre Mitarbeit. Sie gehen davon aus, dass Wissen bereits ausreicht, um etwas „besser“ zu machen.

Oft höre ich auch Führungskräfte sagen, sie wüssten schon, dass ihre getroffene Entscheidung unnötige Kosten mit sich bringen oder von unkontrollierbaren Faktoren beeinflusst werden wird. Dennoch wollen sie diese Entscheidung nicht revidieren.

Liegt es an einem Mangel an Alternativen? Oder bin ich nicht Willens beziehungsweise in der Lage, Alternativen zu suchen? Habe ich den Eindruck, durch die Korrektur einer Entscheidung meinem Ansehen zu schaden? Verbinde ich mit einer Änderung von Entscheidungen Scham, Versagen, Inkompetenz oder andere negative Persönlichkeitszuschreibungen?

Wissen alleine garantiert keine Verhaltensänderung oder -korrektur. Unserem Wissen entsprechend verhalten wir uns erst, wenn auch der dafür nötige Wille sowie die Fähigkeit vorhanden sind, sich „nach bestem Wissen und Gewissen“ zu verhalten.

 

3. Lernen unter Zeitdruck

Die Zeit scheint für die meisten Menschen ein Feind zu sein. Gefühlt verfliegt sie jedes Jahr schneller. Gleichzeitig nutzen andere diese knappe Ressource offensichtlich besser.
Doch Zeit ist kein Feind. Sie kann unser bester Freund werden, wenn wir lernen, sie unter eben diesem Blickwinkel zu sehen.

Bedauert werden im Nachhinein Situationen, in denen wir uns nicht die Zeit genommen haben, um passende Lösungen zu finden. Bedauernswert sind auch Situationen, die missglückt sind, weil wir nicht rechtzeitig gelernt haben, wie komplexe Probleme gelöst werden können. Stattdessen sind wir davon ausgegangen, dass (vor)schnelle Entscheidungen besser sind als in Ungewissheit zu verharren oder zuzugeben, dass die Situation unter den gegebenen Voraussetzungen und mit den bisherigen Kompetenzen nicht lösbar ist.

Aus meiner langjährigen Erfahrung als Coach weiß ich, dass sich in mehr als 80 Prozent der Projekte ungefähr nach der Hälfte der Zeit schwierige Themen zu einem Haufen verknäuelt haben, deren Ursachen bereits bei Auftragsklärung sichtbar gewesen wären: Man hätte nur hinschauen müssen. In allen Fällen wurde jedoch entschieden, dass es wichtiger sei, sich mit den Zielen zu beschäftigen – oder dass sich diese Themen während der Arbeit irgendwie schon von alleine lösen würden.

Auch im privaten Umfeld hat eigenes Verhalten eine zeitliche Komponente. Verhaltensweisen aus der Kindheit mögen einst einen Sinn ergeben haben. 30 Jahre später erschweren sie aber womöglich die kollegiale Zusammenarbeit oder belasten Freundschaften und Partnerschaften, ohne dass es die Zusammenhänge und Ursachen hinterfragt werden.

Die Zeit ist unser Feind, wenn wir uns von ihr drängen lassen zu vorschnellen Entscheidungen. Sie wird jedoch unser Verbündeter im Lernprozess, wenn wir sie uns nehmen. Beispielsweise, um zu erwartende Probleme frühzeitig anzusprechen. Um getroffene Entscheidungen rechtzeitig zu korrigieren. Und vor allem, um unsere Erfahrungen und unser vermeintliches Wissen zu hinterfragen.

 

Was wir aus all dem lernen

Erfahrungen

Erfahrungen sind wichtig. Sie zeigen: Ich war anwesend und habe meinen Beitrag zum weiteren Verlauf der Geschichte geleistet. Wie klein oder groß auch immer dieser Beitrag gewesen sein mag, er fordert uns auf, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Die Motive und Umstände aller Beteiligten zu hinterfragen, hilft uns, neue Aspekte zu erkennen. Das wiederum ist die Basis, um sich mit einer Situation zu versöhnen und daraus neue Verhaltensweisen abzuleiten.

 

Wissen

Wissen bedeutet nicht automatisch, dieses auch nutzen zu können. Zuvor muss geklärt werden, ob und unter welchen Umständen ich mein Wissen in mein Verhalten integrieren will oder kann. Ob ich überhaupt die Fähigkeiten habe, es nutzbringend in mein Verhalten zu integrieren. Etwas nicht zu wissen, schmälert nicht den Wert eines Menschen. Gerade erfolgreiche Menschen wissen, dass es ihnen stets an Wissen mangeln wird. Sie wissen auch, dass sie alleine nie schnell genug lernen können – und entscheiden daher, sich mit Menschen zu umgeben, die das fehlende Wissen besitzen und denen sie aufgrund gemeinsamer Wertesysteme vertrauen können.

 

Zeit

Zeit ist unser bester Verbündeter. Weise Entscheidungen entstehen ohne Zeitdruck und nicht in emotional aufgeladenen Situationen. Sie basieren auf langfristigem Denken und beziehen mögliche Risiken ein. Weise Lösungen entstehen nicht im Schwarz-Weiß-Denken zwischen den Polen „richtig“ oder „falsch“. Sie entstehen unter Einbeziehung der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, sie integrieren unterschiedliche Perspektiven und Risiken sowie gesicherte Fakten. Gleichzeitig schließen sie negative und euphorische Emotionen genauso aus wie die Fokussierung auf einseitige Interessen. Tragfähig sind Entscheidungen, die auf Werten beruhen und gleichzeitig unterschiedlichen Interessen Raum geben.

 

Fazit: Veränderung ist möglich

Indem wir Erfahrungen hinterfragen und nicht wider besseres Wissen und unter Zeitdruck entscheiden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Jahr anders abläuft wie die vergangenen Jahre. Es sinkt zugleich das Risiko, dass die unreflektierte Vergangenheit über unsere Zukunft bestimmt. Nur durch ein Umdenken kann neues Verhalten gelernt und im Alltag implementiert werden. Und das gesetzte Jahresziel erreicht werden.